Im April der dritte Moskauer Theaterprozeß
dnb Warschau, 28.Januar
Nach einer über Riga nach Warschau gelangten Moskauer Meldung wird im April ein dritter Theaterprozeß gegen angebliche Trotzkisten in Moskau eröffnet werden. Auf der Anklagebank werden der Chefredakteur der „Iswestija“ Bucharin, der bisherige Militärattache der Sowjetbotschaft in London Putna, der Adjutant des Marschalls Tuchatschewski Smuty, der frühere Außenminister der Ukraine und Sowjetgesandte in Paris Rakowski, einer der nächsten Freunde Lenins Rykow und eine Reihe weiterer alter Bolschewisten Platz nehmen. Eine Moskauer Pat-Meldung bestätigt die schon gemeldete Verhaftung des Zarenmörders und bekannten Bolschewisten Belobordow, dem die Beteiligung an illegalen Organisationen vorgeworfen wird. Weiter meldet die Pat aus Moskau, daß die Schwester und die Tochter Trotzkis in Krasnojarsk verhaftet worden sind. Die Schwester Trotzkis war die erste Frau des erschossenen Bolschewisten Kamenew.
Unzählige neue Verschwörergruppen durch den Theaterprozeß entdeckt
Im weiteren Verlauf des Moskauer Theaterprozesses wurde der Kraftwagenlenker Arnold vernommen, der als „aktiver Terorrist“ angeklagt ist. Die diesem „Prozeß“ zugrunde liegende These von dem Vorhandensein über die ganze Sowjetunion verstreuter „Verschwörer-Gruppen“ und „terroristisch gesinnter Individuen“ ist eine Sache für sich. Was der „Prozeß“ darüber zutage fördert, ist äußerst unklar, da das Verhandlungsergebnis nur aus gegenseitigen Beschuldigungen und Selbstbezichtigungen der Angeklagten besteht.
Bei den „Terrorakten“, die Arnold „gesteht“ handelt es sich um zwei glücklich vermiedene Autounfälle. In dem einen Fall haben die im Auto sitzenden sowjetrussischen Staats- und Parteigewaltigen überhaupt nichts davon bemerkt, während sie das andere Mal mit dem Schrecken davonkamen.
Der anschließend vernommene frühere Vizekommissar des Eisenbahnwesens Lifschitz ist neben Pjatlakow, Sokolnikow und Serebjakow der vierte stellvertretende Volkskommissar, der in diesem Theaterprozeß todeswürdiger Verbrechen angeklagt ist. Dieses Moment interessiert mehr als der Inhalt der gegen Lifschitz gerichteten Anklagepunkte. Mit seiner Vernehmung wird ein Komplex eingeleitet, der sich auf Fehlschläge im Eisenbahnwesen, Verkehrsstörungen, Havarien, Entgleisungen usw. bezieht. Alle diese Schäden werden nur durch „planmäßige Übeltaten von Trotzkisten erklärt. Lifschitz gesteht natürlich alles, was man ihm vorwirft und fügt auch noch „freiwilliges Geständnis“ hinzu, in dem er sich selbst bezichtigt, durch die Angeklagten Knjasew und Turok Beziehungen zu einem japanischen Spionagedienst unterhalten zu haben.
Darauf wird der Angeklagte Knjasew vernommen, der Direktor mehrerer Eisenbahnlinien in Sibirien und Vizepräsident der Zentralverwaltung des Eisenbahnkommissariats war. Auch Knajsew hat in doppelter Eigenschaft aufzutreten: als „Trotzkist“ und als angeblicher Agent des japanischen Geheimdienstes. Er will etwa 15 Eisenbahnkatastrophen „organisiert“ haben. Er berichtet, daß sich auf der Tscheljabinsker Linie im Jahre 1934 fünfzehnhundert und 1935 zweitausend(!) Havarien ereigneten, was natürlich die Sowjetpropaganda auf das Konto der „Trotzkisten“ setzt.
Knjasew gibt dann vor, Betriebsgeheimnisse der sibirischen Eisenbahnlinien, Mobilisationspläne usw. an den japanischen Geheimdienst ausgeliefert zu haben. Nach phantasievollen Erzählungen über angebliche Absichten des japanischen Geheimdienstes schloß Knjasew seine Aussagen, die er im Tone einer auswendig gelernten Lektion vorbrachte.
Dann kommt der Angeklagte Turok an die Reihe, der seine „Schädlingsarbeit“ im Transportwesen selbstverständlich ebenfalls zugibt und Knjasew noch übertrumpft, indem er 40 Eisenbahnkatastrophen auf sein Schuldkonto nimmt.
VÖLKISCHER BEOBACHTER 29. Januar 1937(Übersetzung aus Fraktur-Nazisschrift)
Komischerweise erinnern wir uns an solche Sachen gar nicht oder verdrängen sie, gilt doch die Sowjetunion als Arbeiter- und Bauernparadies, das die Paradiesbewohner zwar zu Millionen ermorden ließ, aber immer nur zum Wohle des Volkes, so wie ja auch heute antifaschistische Fußtruppen der DIE LINKE brennend und plündernd umherziehen und ihre Scheußlichkeiten zum Wohle des Volkes begehen.
Alexander Solschenizyn – Der Archipel Gulag
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