Die Verfolgung der Sinti und Roma

Die Zigeunerjagd in der Rhön. Seit einer Woche hält eine Zigeunerbande den Landkreis Fulda in größter Angst. Die Aufregung ist um so größer, als man von den drei Führern der Bande, die sich von der Hauptgesellschaft trennten, weiß, daß sie wegen verschiedener Mordtaten gesucht werden. Der 24 Jahre alte Zigeuner Wilhelm Ebender erschoß auf offener Landstraße einen Gendarmen, der ihn verhaften wollte; dann verschwand die Gesellschaft, bis sie vor einigen Tagen bei Fulda auftauchte. In Fritzlar kam Wilhelm Ebender mit seinem Vater wegen eines Pferdehandels in Streit und stach ihn auf dem Marktplatz nieder. Der Vater starb wenige Minuten darauf. Wieder gelang es dem Mörder und seinen Komplizen zu entkommen.

Sie flohen in die Wälder bei Kämmerzell, wagten sich aber wieder in ein Dorfwirtshaus und begegneten dort einem Gendarmen, der sie verhaften wollte. Sie zogen zusammenlegbare Gewehre aus ihren Kleidern, und es kam auf der offenen Landstraße zwischen dem Gendarmen und einigen Mitgliedern des Kämmerzeller Kriegervereins, die sich bewaffnet hatten, und den Zigeunern zu einem regelrechten Feuergefecht, bei dem einige Bauern Streifschüsse erhielten und der Gendarm schwer verletzt wurde.

Die Zigeuner zogen sich schließlich in den Wald zurück und begegneten dort dem nichtsahnenden Revierförster Romann. Wilhelm Ebender tötete den Beamten durch einen Schuß ins Herz. Jetzt wurden 60 Mann Artillerie aus Fulda alarmiert; die Zigeuner waren jedoch in einem Gewaltmarsch ins weimarische  Gebiet geflüchtet, wo sie im Dorfe Borsch einen Bauern überfielen und ihn durch zwei Schüsse am Kopf verletzten. In der Nacht kehrten sie in die Gegend von Fulda zurück. Inzwischen waren mehrere ihrer Frauen verhaftet worden. Da man fürchtete, daß die Räuber nun zurückgekehrt seien, um ihre Frauen zu befreien, wurde das Fuldaer Gefängnis von einer Gendarmerieabteilung  bewacht.

Seit dieser Zeit vergeht kein Tag, an dem die Zigeuner nicht von sich reden machten. Nachts drangen sie in einsam stehende Häuser ein und zwangen die Bauern mit der Waffe, ihnen Lebensmittel und Geld zu geben. Daß sie in Fühlung mit der Hauptbande geblieben sind, geht daraus hervor, daß sie in Stärke von zwölf Mann das Forsthaus Bengerade bei Schlitz überfielen und den Förster mit vorgehaltenen Gewehren zwangen, ihnen ein gewildertes Reh zuzubereiten. Die ganze Bevölkerung, auch in  den kleineren Städten, wagt sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr aus dem Haus.

Die Behörde hat weitgehende Maßnahmen getroffen, um die Zigeuner zu verhaften. In der Nacht zum Sonntag sind 50 Mann des Marburger Jägerbataillons zur Verfolgung ins Rhöngebiet abgerückt. Am Sonntag abend folgte ein weiteres Detachement von 50 Mann unter Führung eines Oberleutnants. Ferner wurde ein freiwilliges Försterkorps  gebildet, das die Wälder durchstreift. Die politischen Behörden zogen ein Detachement von 50 Gendarmen in Lauterbach zusammen um von Norden das Kesseltreiben des preußischen Militärs im Süden zu unterstützen. In den kleinen Ortschaften selbst haben sich kleinere Abteilungen von Kriegervereinen und Feuerwehrleuten bewaffnet, die die nähere Umgebung der Dörfer durchstreifen. Man beabsichtigt auf diese Weise einen Patrouillenkreis zu bilden, der den ganzen Kreis Fulda und einen Teil des Kreises Schlüchtern umfassen soll.

Die Hoffnung, daß die Zigeuner aus Hunger in die Dörfer kommen würden, ist vorläufig zunichte geworden. Die drei Verbrecher haben in der Nacht zum Montag eine Fabrikanlage zu Hünfeld überfallen und dort den ganzen Geflügelhof ausgeräumt, so daß sie für längere Zeit mit Fleisch versorgt sind.

Die Truppen aus Marburg, die Förster und Gendarmen aus Hessen haben sich am Montag vormittag in kleine Patrouillen gegliedert, die mit scharfer Munition ausgerüstet sind, da man auf einen blutigen Kampf mit den Verbrechern vorbereitet ist. Im Wald bei Hünfeld griffen die Soldaten im Lauf des Vormittags einige mit Gewehren und Revolvern bewaffnete Zigeuner auf, die sich ohne Widerstand ergaben und gefesselt nach Hünfeld transportiert wurden. Da man dort aber die Gebrüder Ebender nicht persönlich kennt, werden die Gefangenen nach Fulda geschafft, um dort identifiziert zu werden. Bei Gelnhausen wurde gleichfalls eine Zigeunerbande aufgegriffen, die aus zwei Männern, zwei Frauen und neun Kindern bestand. Die Stadt Offenbach hat 120 Zigeuner sistiert, die in einem Massenquartier hausten, und 70 von ihnen sofort über die Grenze abgeschoben. *Freiburger Zeitung 29. Februar 1912*

Bild: Während die Reichen und Mächtigen sich selber Denkmäler setzen, fristen die damaligen Anonymousse der Landstraßen und Wälder ein karges Leben.  Hin und wieder verüben sie Akte der Gerechtigkeit, die die Behörden Mord, Raub oder Diebstahl nennen. Das alles dient aber nur zur Diffamierung der Gerechtigkeitsapostel. Wenn es gilt, Gutes zu tun, strömen sie zuhauf.

Der Blogwart fragt an dieser Stelle entsetzt: Wie kann in 100 Jahren ein Volk derart verblöden, daß es glaubt, Zigeuner wären unschuldige Lämmchen gewesen, die lediglich wegen ihrer Folklore und Wahrsagerei angefeindet worden sind oder weil ein Herr Hitler jemanden brauchte, den er verfolgen konnte und die Kommunisten waren schon alle weggesperrt. Und wieso erhebt sich heute ein Schrei des Entsetzens, wenn vom Einsatz des Militärs im Inneren die Rede ist? Es war zu dieser Zeit normal, daß wenn die Polizeikräfte überfordert waren, Soldaten mit heranzuziehen und ihr Tod in einem solchen Einsatz war gerechtfertigter als  heute die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch.  Und es wurde keine Militärdiktatur errichtet, weil Militär ja immerfort daran denkt, Militärdiktaturen zu errichten, weil nach dem Einsatz die Truppen wieder in die Kasernen zurückkehrten.

Daß die Bevölkerung keine Waffen mehr benötigt, wie sie unterm Kaiser noch reichlich vorhanden waren, hat uns ja Herr Schäuble erklärt. Weil, Schengen und der Wegfall der Binnengrenzen, das ist es, was das Rauben und Stehlen für die Räuber und Diebe sicherer gemacht hat. Geistig Behinderte wurden allerdings damals in Anstalten abgeschoben. Nicht auf Ministerposten.

Durch das Fehlen mitfühlender Frauenherzen in den Redaktionsstuben der Zeitungen, entfällt hier auch jegliches Barmen um die verfolgten Verbrecher, Mitleidheischen oder die Anklage gegen die Polizei, die Behörden und den Staat, die die Verbrecher erst zu Verbrechern machten, sowie der Aufforderung, jetzt endlich zu Deeskalieren, also die Waffen niederzulegen, die Verfolgten würden einsichtig dann gewiss dasselbe tun. Heute mögen wir derartige Äußerungen emotionaler Intelligenz in der Berichterstattung nicht mehr missen.

5 Antworten to “Die Verfolgung der Sinti und Roma”


  1. 1 Prosemit 29. Februar 2012 um 07:14

    In dem Zusammenhang lesenswert :

    Engelbert Wittich, Blicke in das Leben der Zigeuner. Von einem Zigeuner.
    Ein „Klassiker“ der Zigeunerliteratur.

    Wikipedia schreibt kurz :

    Engelbert Wittich ist im jenischen Dorf Lützenhardt am 18. April 1878 als sechstes Kind von Karl Wittich und Katharina Wittich geb. Pfaus geboren. Die Wittichs verdienten sich ihren Lebensunterhalt durch die Herstellung von Bürsten und Korbwaren, die in den Sommermonaten durch Hausierhandel abgesetzt wurden. Engelbert Wittich besuchte nur einige wenige Jahre die Volksschule. Sonst war er mit den älteren Händlern unterwegs auf „Wägelesfahrt“, um Bürstenwaren zu verkaufen. Auf einer dieser Reisen lernte er den Maler Paul Kämmerer kennen, der von Wittichs zeichnerischen Fähigkeiten stark beeindruckt war. So gab Karl Wittich seinen Sohn für einige Zeit zur Ausbildung seines Talentes in die Obhut des Malers. Nachdem er als Zeichner, besonders des Tierlebens, einigen (ungedruckten) Erfolg hatte, begann er mit schriftlichen Schilderungen des Tierlebens. Sogar Karl May soll auf ihn aufmerksam geworden sein und ihm geraten haben, sich mehr dem schriftstellerischen Beruf zuzuwenden. Mit 24 Jahren heiratete er die 17 Jahre ältere Witwe Friederike Denner, geborene Schmid in Straßburg. Diese brachte 5 Kinder aus der ersten Ehe mit in die Familie. Den Lebensunterhalt bestritten die beiden durch ein Schaugeschäft mit kleineren Aufführungen und Puppenspielen. Urkundlich festgehalten sind Aufenthalte resp. Wohnsitze in Pforzheim, Dörreswang-Mühlacker und Stuttgart-Gablenberg. Wittich pflegte Freundschaften mit dem Schriftsteller Heinrich Schäff (d. i. Hermann Zerweck), Gregor Gog, Jo Mihaly und anderen und korrespondierte auch mit Clara Zetkin. Engelbert Wittich starb am 4. März 1937 in Stuttgart-Bad Cannstatt.

    Bei Gutenberg das Original :

    http://www.gutenberg.org/files/25796/25796-h/25796-h.htm

  2. 2 Sophist X 29. Februar 2012 um 08:17

    Heute muss zum Glück niemand mehr in die Wälder ziehen, um Raub- und Mordgesindel zu vertreiben, denn das Raub- und Mordgesindel wird in den Innenstädten integriert, wo es, unbehelligt von Kriegervereinen, seinen Tätigkeiten nachgeht.
    Auch kommt es kaum noch zu Wilderei und Hühnerdiebstählen, denn wo sich solche Mitbürger früher die Grundversorgung zusammenstehlen mussten, bekommen sie sie heute vom Staat geschenkt, der für sie die Mühsal, die Bürger zu bestehlen, auf sich nimmt.

    Wie man googeln kann, war der Eintritt in die Kriegervereine für Sozialisten verboten. Kein Wunder, dass ohne deren Rechtleitung die Begegnung der Kulturen auf ein Zurückschießen im Falle eines Angriffs hinauslief.

  3. 3 Easterner 29. Februar 2012 um 10:13

    Hätte es zu der Zeit schon Integrationbeauftragte gegeben, wäre das nicht passiert, wirkilich barbarische Zeiten, damals.

  4. 4 Beipflichter 29. Februar 2012 um 13:27

    Besonder spannend verspricht es zu werden, so eine wachsende Anzahl „mitfühlender Frauenherzen“ auf eine Art und Weise „bereichert“ wird, die auf das wunderbarst diametralste mit heutigen feministischen Paradigmen kollidiert. Oder, wenn bekanntermassen kleptomanische Sinti-Horden die Rotweingürtler endlich um ihre konsumterroristisch aufgedrängten Habseligkeiten erleichtern. – Im ersten Fall, wird es ein prekärer Eiertanz, welche Blasrohrkriechrichtung die höhere Prio haben wird, die in Richtung „die FrauIn, das ewige Opfer“, oder der „Südländer, der ewig diskriminierte“.
    Überhaupt, wenn da dereinst die herzallerliebsten Bereicherer den Diskurs-Hoheiten und Grossinquisitoren ihre Pfründe und Privilegien abzuknöpfen sich anschicken, darf man neugierig sein, ob sich unsere „Elite“ feige und duckmäuserisch beugen wird, oder mit ähnlicher Rotzfrechheit und Infamie reagiert, wie sie sich gegenüber den „indigenen Kartoffeln“ aufführen.

  5. 5 eulenfurz 29. Februar 2012 um 20:41

    Daß der Kriegerverein wahllos mordet, macht entsetzt und betroffen. Soviel bereichernde Lebensfreude durch ewiggestrige Borniertheit auf einen Schlag vernichtet! Darum Kriegervereine verbieten!

    Liebe Zigeuner, laßt uns mit diesen Deutschen nicht allein!


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